Freitag, 2. April 2010

Fleischkonsum und seine Folgen



Die Kräuterbutter zerläuft gerade auf dem schönen Rumpsteak, während die ARD in den Tagesthemen gerade mit einem Beitrag schockiert, dessen Inhalt man bisher immer gut verdrängen konnte. Der Horror auf dem Schlachthof, oder, wie ich zu meinem Rumpsteak kam.
Der Beitrag zeigt die bittere Realität der Schlachttiere, die für unseren Konsum massive Qualen durchstehen müssen. Ein verängstigter Bulle mit großen Kulleraugen zappelt aufgeregt in seiner Schlachtbox rum, als der Schlachter mit dem Bolzenschussgerät versucht die richtige Stelle zu treffen. Normal wird durch ein Bolzenschuss direkt ins Großhirn das Tier klinisch getötet. Es erleidet folglich einen Hirntod. Der "richtige" Tod setzt anschließend durchs ausbluten ein.
Leider nicht so bei diesem Rind. Der Schlachter trifft nicht richtig und das Tier lebt noch, als man es an den Beinen hoch zieht um ihm die Kehle durch zu schneiden.
Ein ähnlich furchtbares Szenario nebenan im Schweinetrackt. Hier kommen die Tiere in kleinen Gruppen in abgeschlossene Boxen, in denen sie mit Kohlendioxid in einen Narkosezustand gebracht werden, um sie anschließend mit einem Stechgerät ausbluten zu lassen. Dieses Gerät kann man sich wie eine überdimensionale Kanüle vorstellen, die in die großen Gefäße sticht und das Tier über ein Schlauchsystem ausbluten lässt. Klingt im ersten Moment, wie auch der richtige Einsatz eines Bolzenschussgerätes, recht "harmlos", "human", oder "artgerecht".
Leider sieht hier der Alltag in den Schlachthöfen auch wieder anders aus. Es gibt keine Kontrollstellen, die messen, ob die Tiere wirklich betäubt sind. Aufregung, Kreislaufsystem, Adrenalin, Größe und Geschlecht des Tieres sorgen dafür, dass das CO2 sich nicht in der richtigen Dosierung in der Lunge ansammelt und das Tier nur schwach oder gar nicht betäubt. Gut könnte man denken, hoffentlich geht das mit dem Ausbluten wenigstens schnell. Aber schaut man sich an, welche Massen an Schweinen in der Stunde entblutet werden, wird man sehen, dass der Schlachter keine 2 Sekunden pro Tier hat. In 2 Sekunden also, soll die "Kanüle" in das richtige Gefäß gesetzt werden und schon der Schlauch fürs nächste Tier geholt werden. Ist das möglich? Nein, auch hier gibt es immer wieder hunderte von Schweinen, die ihren eigentlichen Tot erst 10 Minuten später erleiden, wenn sie in den Brühtrackt kommen um von Dreck und Borsten befreit zu werden.
Schockierende Bilder. Mein Rumpsteak musste erstmal einen Moment warten, bis ich es essen konnte. Schließlich war das Tier dafür nun schon tot und sollte auch nicht umsonst sein Leben gelassen haben. Aber zum Nachdenken regt so ein Beitrag doch an. Viel zu gerne ignoriert man die Tatsache, dass das Schnitzel nicht in diesen gelben Styroporschalen gewachsen ist, sondern da mal ein Tier mit Knopfaugen und plüschigem Fell dran gehangen hat.
Aber wie kann es zu diesen grausamen Vorfällen kommen? Als Kind bin ich auf dem kleinen Schlachtbetrieb meiner Freundin groß geworden und recht früh mit dem Schlachtalltag auch konfrontiert worden. Die Erfahrungen die ich da gemacht habe, waren wirklich vorbildlich und ließen mir das Fleisch auch schmecken, obwohl ich das Tier vorher noch selbst streicheln konnte.
Wie also kann es sein, dass der Alltag in den Schlachtbetrieben so brutal und von Seiten der Schlachter so abgestumpft ist?
Am nächsten Tag machte ich mich auf zum Discounter um mich mal aufmerksam mit der Fleischabteilung zu beschäftigen. 4 Nackenkottlets in Marinade mit einem Kilopreis von 1,99. Ja, die Grillsaison hat angefangen. Gleich werd ich auch zur Seite geschoben und eine Familie mit Kindern packt sich gleich 3 Pakete ein.
Ein Kilopreis von nichtmal 2 Euro!
Machen wir doch mal die Augen auf und verinnerlichen, was das für uns als Endverbraucher, aber auch für den ganzen Produktionsweg bedeutet.
WAS bitte soll dieses Schwein gegessen haben um bei diesem Preis noch einen Gewinn zu erzielen?
WIE soll dieses Schwein gehalten worden sein um bei diesem Preis noch ein Gewinn zu erzielen?
WER soll dieses Schwein aufgezogen haben um bei diesem Preis noch ein Gewinn zu erzielen?
WIE soll dieses Schwein zum Schlachter transportiert werden um bei diesem Preis noch ein Gewinn zu erzielen?
WIE soll dieses Schwein geschlachtet worden sein um bei diesem Preis noch ein Gewinn zu erzielen?
Ist das überhaupt möglich?
Ja, man sperre die Tiere in enge Käfige in denen sie sich nicht bewegen können, stelle sie auf Gitter, damit der Kot durchplumpsen kann auf ein Laufband, pumpe es mit Medikamenten voll, damit es bei dieser Massenhaltung nicht erkrankt, füttere es mit den letzten Abfällen, die einfach nichts mehr kosten können, transportiere sie kaltblütig ohne Versorgung über die Grenze um sie dort von billigen Abreitskräften im Ausland auf genau diese Weise abzuschlachten, wie es in dem Beitrag gezeigt wird. 2 Sekunden pro Tier und wenn es schief geht, auch egal, gibt ja schließlich noch andere Stellen, an denen es stirbt. Und wenn es auch erst dann ist, wenn man ihm die Innerein rausnimmt und in 2 Hälften trennt. Bei dieser Akkordarbeit, die nur 2 Sekunden pro Tier zu lässt, ist ein Nachdenken darüber gar nicht mehr möglich.

Jetzt mal eine Frage an uns Endverbraucher:
Ist das wirklich der Weg um täglich billiges Fleisch in gelben Schachtel vom Discounter haben zu können? Muss das wirklich sein?

Der Goldweg wäre natürlich komplett auf Fleisch zu verzichten und sich dem Vegetarismus anzuschließen. Ich bewundere jeden, der dies für sich so entschieden hat. Ich für mich muss zugeben, dass ich nicht auf mein Fleisch verzichten kann und es auch nicht will. Ich für mich habe einen Weg gefunden, indem ich nicht auf Fleisch verzichten muss, es aber auch mit gutem Gewissen essen kann.

Auf dem Schlachthof meiner Freundin damals hab ich mich schon früh mit meinem Steak auseinander setzen können. Da dort nur wenige Tiere am Tag geschlachtet wurden, hatte man mehr Zeit als genug um sowohl den Bolzenschuss, als auch den Kehlenschnitt in Ruhe vorbereiten zu können und somit richtig ausführen zu können. Die Tiere hatten weder Stress noch Angst. Standen draußen in einem geräumigen Pferch und knabberten an ein paar Halmen Heu, wurden mit ruhiger Sprache ins Schlachthaus geführt, noch einmal gestreichelt und bekamen gar nicht mit, dass es nun nicht mehr lebte.
Die Tiere, die dort geschlachtet wurden, kamen von Bauern aus der Region, die ihre Tiere auf großen Weiden aufgezogen hatten. Die Tiere hatten Gras unter den Füßen und Sonne auf dem Rücken. Wer einmal ein solches Steak gegessen hat und danach in eine Schuhsohle vom Discounter gebissen hat, weiß, wie Fleisch wirklich schmecken kann. Wenn sich der Geschmack der Kräuter aus dem Futter auch im Fleisch noch wieder spiegelt.
Ich für mich habe beschlossen, meinen Fleischkonsum lieber ein wenig runter zu fahren und dafür dann hochwertiges Fleisch vom Metzger zu kaufen. Unabhängig davon, dass ich somit das Überleben der kleinen Schlachterein fördere, nein, ich spreche somit klar eine politische Entscheidung aus, mit der ich klar mache, dass ICH diesen Massenkonsum von billig produziertem Fleisch nicht unterstütze.
Schauen wir uns doch mal um? an jeder Ecke gibt es einen Frisör und einen Schuhladen, aber zur nächsten Metzgerei muss ich erstmal noch einige Kilometer in Kauf nehmen.
Wir müssen uns alle einmal klar machen, was wir als Endverbraucher für einen Markt bestimmen. Keine Wundert sich, weshalb das neue Wellnesswasser doppelt so viel kostet, wie ein Liter Milch. Wieso eine Packung Haribo genauso viel kostet wie ein Paket Hackfleisch. Diese Liste kann man beliebig weiter führen.
Wir als Endverbraucher bestimmen den Markt. Wenden wir uns ab von diesem Billigfleisch und wenden uns den regionalen Metzgerein zu treffen wir damit eine politische Entscheidung. Ein Jeder kann demnach für sich etwas dagegen tun. Und wenn es nur ein Transport ist, der weniger fährt, haben wir damit schon was erreicht. Nicht nur, dass eine LKW-Ladung an Schweinen eine grausame Fahrt erspart blieb. Nein, wir fördern damit noch Arbeitsplätze und Familien in unserer Umgebung.

Fange ich an mit meinem Konsumverhalten bewusst umzugehen, mit Gedanken darüber zu machen und bestimmte Dinge nicht mehr zu unterstützen, dann kann ich auch nach so einem schockierendem Beitrag mein Rumpsteak noch genießen. Ich für mich weiß, dass mein Rind bei Bauer Müller aufgewachsen ist und bei Schlachter Meier human geschlachtet wurde und vom Metzger Schmidt zerlegt wurde.